Die Auslöschungsbedingungen und die hexagonale Metrik weisen auf drei mögliche Raumgruppen: P63cm, P-6c2 oder P63/mcm. Alle drei gehören unterschiedlichen Laueklassen an. Nur die letzte ist zentrosymmetrisch, die E-Wert-Statistik und die Rint-Werte für die Lösungen in allen drei Gruppen weisen ziemlich deutlich auf P63/mcm hin.
Die Lösung starte ich wegen der riesigen Elementarzelle mal mit
SFAC P N LI
UNIT 80 200 250
und erhalte mit ordentlich vielen Seminvarianten und einem akzeptablen CFOM drei "Schwer"-Atomlagen, die natürlich Phosphor sind. Schon im lis-File der Lösung sieht man, dass alle drei P-Atome tetraedrisch koordiniert sind, und dass die P-Q-Abstände zu P-N-Bindungen passen.
Damit man überhaupt einen Großteil an Elektronendichte in der riesigen Zelle für die erste Verfeinerung erwischt, muss man außer den 3 P-Lagen gleich eine große Anzahl von Q-Peaks mit ins Modell hineinnehmen, sonst klappts nicht. Das ist die Schwierigkeit hier: eine große Zelle voller Leichtatome. Damit die Differenz-Fouriersynthes überhaupt sinnvoll arbeiten kann, ist es wichtig, gleich zu Beginn den Großteil der Elektronendichte zu versorgen.
Ich verwende die drei P-Atome und sämtliche angebotenen Q, die ich auf den Strukturfaktor von N setze. Außerdem setze ich PLAN auf 100.
SHELXS unterteilt die Elektronendichte-Maxima in drei strukturelle Untereinheiten. Das kann man beibehalten oder auch nicht, ist egal, aber interessant. ;-)
Man wurschtelt sich jetzt durch die Restelektronendichtekarte und wird nicht schlau draus. Es ergeben sich, auch mit 100 Atomen in der Zelle, schreckliche wR2-Werte, WGHT reagiert überhaupt nicht und das Modell ist quatsch.
Einzige Möglichkeit: azentrisch lösen und hoffen. Also Neustart in P63cm. Es kommen bessere Lösungen zustande, ich nehme alle Q mit, die größer als 50 relative Elektronen besitzen. Damit auch viel Elektronendichte verräumt wird, lasse ich erst mal alle Atome auf dem Strukturfaktor von P. Als Startmodell habe ich 3P- und 20 Q-Atome. Ich füge weitere ca. 20 Q-Atome hinzu und sehe in einem ersten Bild schon charakteristische Baugruppen, nach denen ich die Atomzuordnung langsam Stück für Stück durchführen und die noch fehlenden Atome gezielt aus der Differenz-Fouriersynthese heraussuchen kann. Langsam und mühevoll wächst das Gerüst aus P- und N-Atomen.
Man kann jetzt bei einem R1 von ca. 15% und wR2 ca. 45% drei unterschiedliche Sorten von Baugruppen erkennen: ein Cyclotriphosphat, ein adamantan-artiges PN-Gerüst und dann noch ein flaches Dings aus drei kondensierten Sechsecken mit tetraedrisch koordinierten Atomen.
Jede Baugruppe ist zweifach in der Elementarzelle enthalten, das riecht nach übersehener Symmetrie. ADDSYM und NEWSYM geben allerdings keine Hinweise. Der Flack-Parameter legt eine Inversionsverzwilligung nahe.
TWIN -1 0 0 0 -1 0 0 0 -1
liefert einen BASF von 0.44, was ok ist, also behalten wir den Inversionszwilling mal bei. Man muss jetzt unbedingt MERG 0 setzen, damit die Friedel-Paare nicht mehr gemittelt werden. Das alles hilft aber nicht, die Anzahl der symmetrieunabhängigen Anionen, die topologisch gleich sind, zu verringern. Naja, vielleicht finden wir zu guter Letzt noch höhere Symmetrie.
Jetzt findet man eine große Menge Q-Peaks in sinnvollen Abständen zu N-Atomen, die man als Li-Kationen zwischen die Anionen einbauen kann. Und jetzt erst (!) geht WGHT runter. Das Modell ist allerdings noch fragil und lässt sich nicht anisotrop verfeinern, nicht mal in Teilen.
Übrigens: Das dreibindige Atom im Zentrum der drei kondensierten Sechsringe ist ein Stickstoff, aber die drei anderen dreibindigen Atome sind Bor! :-)
Nach langer Jagd hat man dann so allmählich die Li-Atome beieinander, dass die Summenformel ionisch aufgeht. Das Modell reagiert stark auf die Li-Atome, was wR2 und GooF angeht. Mit DAMP 50 kann man die Sache etwas erleichtern. Hat man die richtigen Li-Atome (Summenformel: Li47B3P14N32 mit Z = 6), rastet das Modell endlich ganz gut ein und die P-Atome lassen sich anisotrop verfeinern.
Ein Zwillingsproblem, das über reine Inversion hinausgeht, könnte noch versteckt sein. Die Berechnung der unverzerrten Schichtaufnahmen zeigt nicht die geringste Aufspaltung der Reflexe in den h0l-, h1l- usw. Schichten, was nicht für eine pseudohexagonale und in Wirklichkeit orthorhombische oder monokline Struktur spricht. Man hat es also höchstwahrscheinlich mit einem Meroeder zu tun, der höhere Lauesymmetrie vortäuscht. Man kann das zugehörige Zwillingsgesetz
TWIN 0 1 0 1 0 0 0 0 -1 -4
BASF 0.25 0.25 0.25
plus Inversion, daher die vier Anteile, ausprobieren, und man erhält drei Volumenanteile, die größer sind als Null. Da die BASF-Anteile, die zum Inversionszwilling gehören, verschwinden, kann man nur das Meroedergesetz anwenden. Der resultierende Flack-Parameter kommt auf 0 raus. Andere Zwillingsgesetze (Rotationsdrilling etc) bringen keine weitere Erkenntnisse.
Ich bin nicht zufrieden mit dieser Verfeinerung. Wer ein besseres Modell findet, möge mir bitte Bescheid sagen!
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